Runon ja rajaton: Päivä 2-16
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Ganz langsam, Millimeter um Millimeter, nähern wir uns auf der Karte dem roten Kreuz, das am Kartenrand mit «Sale Virtasalmi, 9-20» angeschrieben Schätze von unfassbarem Wert verspricht. Süssigkeiten und Gebäck stapeln sich dort neben allen erdenklichen Früchten und Gemüse, Brot, Käse, Chips, so viel man essen kann und noch mehr. Vor allem aber, und das ist das Wichtigste, gibt es einen ganzen Schrank voller gekühltem Heidelbeersaft. Dem einzigen was uns die letzten unendlich langen fünfzehn Kilometer einen Fuss vor den anderen setzen liess. Wir kommen uns vor wie Piraten, Tücher um die Köpfe gebunden, um uns etwas vor der Hitze zu schützen, auf der Suche nach einem Schatz aus blauem Gold. Ein ungutes Gefühl lässt uns aber vermuten, dass die Zeitangabe auf der Karte gar nicht stimmt, immerhin ist es Samstag und am Samstag schliessen die Läden meist etwas früher. Also eilen wir im Stechschritt die Landstrasse entlang und begeben uns soweit in die Energieschuld, dass ich gar nicht daran denken kann, was passiert, wenn der Laden schliesst, bevor wir dort ankommen. An Laufen ist schon lange nicht mehr zu denken, die letzte Stunde haben wir kein Wort gewechselt.
Endlich tauchen die ersten Häusers des Dorfs Virtasalmi auf und da ist auch der Lebensmittelladen. Um 17:59 taumeln wir auf den Parkplatz vor dem Geschäft, um 18:00 schliessen sich dessen Türen. Die Verkäuferin hat aber Erbarmen und wir dürfen noch kurz durch die Regale gehen und uns das Wichtigste heraussuchen. Nach unzähligen Einkäufen geschieht das wie automatisiert, wir wissen genau was wir für die nächsten drei Tage brauchen und haben innerhalb weniger Minuten eingekauft. Danach sinken wir vor dem Geschäft auf eine Bank und brauchen sicher eine Stunde bis wir wieder genug Kraft beisammenhaben, um unsere rasenden Gedanken zu ordnen. Wir müssen uns entscheiden, wie es weitergehen soll, wo wir schlafen, wie die nächsten Tage aussehen. Wir sind beide völlig erschöpft, können kaum gerade denken, geschweige denn Entscheidungen treffen. Eigentlich wollen wir schon lange einen Ruhetag in einer Unterkunft einlegen, aber auch in Virtasalmi gibt es ausser dem Lebensmittelgeschäft, einem Heimatmuseum und einigen Wohnhäusern nicht viel. Also weiter, zum nächsten Dorf, in der Hoffnung das wir dort etwas finden. Allerding trennen uns zwei bis drei Tage Laufen von Leppävirta, gut 75 Kilometer weiter nordöstlich. Und soweit kommen wir in unserer physischen aber vor allem psychischen Verfassung kaum. Das Projekt wird zum ersten Mal (ziemlich heftig) in Frage gestellt. Wir haben uns in eine Sackgasse manövriert. Wie wir da hineingekommen sind? In dem Fall also von Anfang an.

Nach einem Ruhetag in Huruksela bei Leas Grosselterm machen wir uns am 21.7. auf in Richtung Norden. Das Wetter ist herrlich, unsere Beine ausgeruht. In Myllikoski kaufen wir Proviant für zwei Tage, den nächsten Laden werden wir etwas nördlich von Kouvola erreichen. Trotz der guten Bedingungen marschieren wir einen grossen Teil der Strecke, wir wollen es entspannt angehen lassen. Der Tag wird dann doch etwas länger, aber mit einer Pfanne Reis im Bauch schlafen wir in einem Lavu bei Valkeala ziemlich früh ein.
Ein Grossteil der Zeit, die wir nicht mit Laufen, Essen oder Schlafen verbringen, geht beim Planen drauf. In der Vorbereitung des Projekts hat Lea nur entschieden, welche Kartenausschnitte wir brauchen würden, sowie die Standorte der Schutzhütten und Lebensmittelläden eingetragen, die genaue Route müssen wir vor jeder Etappe neu festlegen. So können wir von Tag zu Tag entscheiden, wie es uns geht, wie weit wir kommen wollen und auch auf gesperrte Strassen oder ähnliches reagieren. Zudem haben wir etwas zu tun während wir den staubigen Landstrassen entlangwandern.
Eigentlich sind wir immer auf der Suche nach den feinen Pfaden, die von Wurzeln und Steinen durchsetzt immer dem Gelände folgen und auf denen die Kilometer dahinfliegen, obwohl man gar nicht so schnell vorwärtskommt. In den ersten Wochen des Projekts müssen wir allerdings feststellen, dass solche Wanderwege eine ziemliche Seltenheit sind. Finnland ist bekannt für seine weiten Wälder und Seen. Zumindest im Südosten ist diese Schönheit touristisch allerdings höchstes knapp erschlossen. Rund um die grösseren Städte sind zwar häufig einige Wanderwege zu finden, die sich dann aber von einem grossen Parkplatz ausgehend, auf den Raum eines kleinen Schutzgebietes oder Nationalparks beschränken und keine Verbindung zur nächsten Stadt darstellen. Sobald man die urbanen Gebiete verlässt, stellen Forstrassen und schmale, schnurgerade Landstrasse oft die einzige Möglichkeit dar, um vorwärts zu kommen. Nach einigen Stunden Laufen kann das schon ziemlich ermüdend sein, obwohl man die ganze Zeit durch wunderschöne Landschaften geht. Für uns Mitteleuropäer ist diese Verschwendung von Potenzial und Platz nicht ganz nachvollziehbar, gerade auch wenn man sich die wirtschaftliche Situation in Südostfinnland anschaut und sieht, dass in anderen Regionen Finnlands das Draussen sein zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren zählt.

Am nächsten Morgen machen wir uns früh und bei besten Bedingungen auf zur nächsten Etappe. Unser Ziel ist der zwei Tage entfernte Repovesi-Nationalpark, wo wir endlich die schönen Wurzelwege zu finden hoffen. Im Voraus muss aber eine erste Entscheidung gefällt werden. Gerüchten zu folge ist die Hängebrücke, die in das Gebiet führt, beschädigt und im Moment nicht begehbar. Wir können also einen Umweg in Kauf nehmen oder unser Glück wagen. Wenn wir allerdings Pech haben und die Brücke tatsächlich nicht mehr steht, müssen wir entweder schwimmen oder ein gutes Tageskontingent zurücklaufen, wodurch unser Essen ein erstes Mal knapp werden dürfte. Wir entscheiden uns für die ursprünglich geplante Variante. Auch dieser Tag wird länger als geplant, da wir zuerst eine Weile brauchen, um einen Sumpf zu durchqueren und dann keinen geeigneten Schlafplatz finden. Der Massstab unserer Karte war vielleicht doch etwas klein gewählt. Schliesslich werden wir noch von einem Rentner der händeverwerfend auf Finnisch redend aus seinem Sommerhaus gelaufen kommt, vor einer Sackgasse bewahrt, die wir übersehen haben. Diese Bekanntschaft ist neben dem Cöggeli, das wir auf dem Weg in einem kleinen Dorfladen gekauft haben und unserem Schlafplatz der Höhepunkt des Tages. Nach zehn Stunden auf den Füssen finden wir kurz vor den Toren des Nationalparks ein wunderschönes Näs am Wasser, wo wir unsere Zelte aufstellen. In dieser Nacht wird sich zeigen, ob die dem Ansturm der Mücken gewachsen sind.

Sie sind es nicht. Meine Tarp-Konstruktion auf jeden Fall nicht. Leas Zelt scheint einwandfrei zu funktionieren. Mit wenig Schlaf und ziemlich zerstochen bzw. gut erholt und völlig unversehrt starten wir zur nächsten Etappe durch den Repovesi-Nationalpark, der einige Überraschungen für uns bereithält. Die erste ist gar keine so grosse; die Hängebrücke gibt es tatsächlich nicht mehr. Allerdings trennen uns keine fünfzig Meter von der anderen Seite und das Ufer am Grund der kleinen Schlucht ist gut zugänglich, so dass wir uns fürs Schwimmen entscheiden. Da nur mein Rucksack wirklich wasserdicht ist, durchquert Lea das Wasser mehrmals, aber nach drei Rucksackladungen haben wir alles Material trocken auf der anderen Seite. Dort verkündet eine Holztafel, dass einige Minuten später das Brückenersatz-Boot seinen Betrieb aufnehmen würde, allerdings von einer anderen Stelle am See her. Immerhin haben wir das Insellabyrinth so noch einen Moment für uns allein.
Einige Kilometer weiter, wo der Weg direkt am Wasser entlangführt, stossen wir auf die nächste Überraschung. Unterdessen hat es mehr Leute, die meisten davon mit leichtem Gepäck auf einem Tagesausflug unterwegs zu einem Badeplatz mit Feuerstelle. Manche haben auch einen grösseren Rucksack dabei und es wäre spannend zu erfahren, wohin sie unterwegs sind, doch ein Gespräch ergibt sich mit niemandem wirklich. Dafür werden wir von einem schwerbeladenen Finnen gewarnt, weiter vorne sei der Weg in den See abgerutscht, wir müssten die Stelle obenherum umgehen. «I barely survived», fügt er mit Nachdruck hinzu. Wir erklären ihm, wir wollten uns das ganze einmal ansehen. Tatsächlich kann die Passage nicht mehr unbedingt als Weg bezeichnet werden, da man einige Meter klettern muss, aber ab der finnischen Dramatik müssen wir doch etwas schmunzeln. Die schöne, aber einfache Kletterstelle würde auf der Boulderskala wahrscheinlich nicht einmal den tiefsten Schwierigkeitsgrad erreichen.
Die dritte Überraschung ist zugleich auch die schönste. An der Grenze des Nationalparks müssen wir nicht, wie befürchtet, zurück auf die Landstrasse, sondern können einem Wanderweg folgen, der uns gemäss einem Wegweiser bis zu unserem nächsten Ziel erhalten bleiben soll: «Mäntyharju, 45km». Da wir heute eine kürzere Etappe einlegen wollen, sind wir noch gut eine Stunde unterwegs, bis wir uns zwischen zwei kleinen Seen für die Nacht einrichten, Soppa aus frischen Heidelbeeren kochen und mein Tarp verbessern. Ich hoffe sehr, dass ich diese Nacht etwas mehr Schlaf bekomme.

Leider nein. Zwar hält das Moskitonetz jetzt besser, da es aber in der Nacht nur wenig kühler wird und ich in meinem Schlafsack bleiben muss, um wirklich vor den Mücken geschützt zu sein, habe ich viel zu warm und schlafe erst spät und völlig verschwitzt ein. Immerhin kassiere ich nicht allzu viele Stiche, wenn auch das vielstimmige Summen am Abend nicht gerade als Grundlage für einbesonders schönes Schlaflied anbietet. Gegen die schlechte Nacht entschädigt zudem die darauffolgende Etappe. Wie versprochen ist der Weg durchgehend bis Mäntyharju und führt dabei auch einige Kilometer über Holzplanken durch Sumpf und Heidelbeergestrüpp. Zwischen durch treffen wir auf ein russisches Paar, das mit dem MTB auf dem Auto unterwegs ist und uns mit Stachelbeeren aus ihrem Garten versorgt. Sie sind etwas erstaunt ab der Idee, Finnland von Süden nach Norden durchqueren zu wollen, meinen aber: «It’s possible. It needs time but you can do it. Don’t forget to rest.» Weise Worte, wie wir noch einige Male sehen werden.
In Mäntyharju kaufen wir wieder ein, laden die Kamera und machen es uns dann an einem See einige Kilometer weiter nordöstlich gemütlich. Erstaunlicherweise hat es hier so gut wie keine Mücken, was mir die erste erholsame Nacht unter dem Tarp ermöglicht, dafür hunderte Waldameisen, die grosses Interesse an unserer Ausrüstung bekunden und in alles hineinkrabbeln, was nicht luftdicht verschlossen ist. Wir erklären das zu einem guten Zeichen und die Ameisen zu unseren Freunden – ganz im Gegensatz zu den Mücken, denen wir immer mit einer gewissen Mordlust begegnen.

Am nächsten Tag geht es weiter in Richtung Mikkeli, der ersten grösseren Stadt auf unserem Weg. Unterdessen sind die Temperaturen nochmals deutlich gestiegen und wir merken, dass wir jetzt viel mehr Flüssigkeit verbrauchen. Zusammen haben wir eine Füllkapazität von 3.5 l, die wir wegen des Gewichts aber selten ganz nützen. Das Wasser nehmen wir aus den Seen oder Bächen am Wegrand und machen sie mit Entkeimungstabletten bedenkenlos trinkbar. Die heutige Etappe führt grösstenteils abseits grosser Strassen über Forstwege und geht auch einige Male quer. Diese Teilstrecken kosten uns immer noch viel mehr Zeit als gedacht, da wir eigentlich nie dort landen, wo wir hinwollen. Hier im Süden ist das Auffangen nicht allzu schwierig, aber wir fragen uns, wie das dann in Lappland aussieht, wo manchmal ganze Etappen weglos sein werden. Immerhin wird Lea dort bessere Karten dabeihaben.
Das Gespräch wandert in Anbetracht der zerfallenen Häuser, an denen wir vorbeikommen von der Gegenwart in die Vergangenheit, über Literatur und Politik in die Zukunft und wieder zurück. Wie meistens sind wir uns in vielen Dingen einig und verweilen dort etwas länger, wo sich durch gegensätzliche Meinungen interessante Diskussionen entwickeln. Dann wird das Philosophieren von einem wilden Himbeerfeld oder Walderdbeeren am Wegrand unterbrochen und danach gehen wir schweigend weiter. So wechseln sich stille und unterhaltsame Abschnitte ab, bis wir einige Kilometer vor Mikkeli auf die Schnellstrasse treffen. Obwohl wir unsere Route so gelegt haben, dass wir an genug Seen vorbeikommen, um unsere Wasservorräte aufzufüllen, haben wir zu wenig getrunken und die Strecke bis ins Zentrum zieht sich. Auf dem Weg kaufen wir einen Heidelbeersaft und erkundigen uns per Telefon auf dem Camping, ob noch Platz in einem der Häuschen dort frei ist. Wir wollen einen nächsten Ruhetag einlegen und da wir positive Antwort bekommen, machen wir uns auf den Weg nach Visulahti. Der Camping, eine riesige Anlage mit eigenem Vergnügungspark, liegt knapp zehn Kilometer weiter auf der anderen Seite der Stadt, aber mit der Aussicht auf eine Dusche, ein richtiges Bett und eine Waschmaschine kommt uns die Strecke nicht allzu weit vor.
Zwei Stunde später dann allerdings die Ernüchterung: Alle Betten seien ausgebucht. Wir weisen den jungen Mann an der Rezeption darauf hin, dass er oder einer seiner Mitarbeiter uns noch nicht lange her das Gegenteil versprochen habe, doch er zuckt nur mit den Schultern und meint, da könne er nichts machen. Alles was er uns anbieten könne, sei ein Möki für vier Personen, allerdings nur für eine Nacht. Also doch kein Ruhetag. Ziemlich erledigt setzen wir uns auf eine Bank vor der Rezeption. Nach einigem Herumtelefonieren und der erfolglosen Suche nach einer guten Alternative, entscheiden wir uns doch für das Häuschen auf dem Camping. 140 Euro die Nacht.
Im Nachhinein betrachtet ist das wohl die Abzweigung in die Sackgasse von weiter oben. Zwar tun die Dusche und das weiche Bett wunderbar, aber wichtiger wäre, einen ganzen Tag Pause zu haben. Von jetzt an sind wir mit einer Hypothek unterwegs, die unsere Weitsicht trübt und uns überhastete Entscheidungen treffen lässt. So verschwenden wir am nächsten Tag Energie mit einem Abstecher zurück ins Stadtzentrum, in der Hoffnung an der Touristeninformation herauszufinden, ob es einen Wanderweg zwischen Mikkeli und Kuopio gibt, obwohl unsere Karte nichts in diese Richtung andeutet. Dann planen wir für unseren Zustand auch viel zu lange Tagesetappen, um möglichst schnell zum nächsten Ort zu kommen, wo es einen Camping haben könnte, obwohl es bestimmt 35° C warm ist. Nachsichtiger wäre, nochmals eine Nacht in einem Hotel zu verbringen, aber wir haben das Gefühl, dass wir bereits jetzt zu viel Geld für Unterkünfte ausgegeben haben. Und schlussendlich wollen wir auch keine Umwege mehr gehen, um wenigstens einige Kilometer auf Wurzelwegen oder Forststrassen zu laufen, sondern legen unsere Route einer Landstrasse entlang, die mitten durch eine riesige Torfgrube führt, wo uns die Sonne stundenlang auf die Köpfe brennt.

Ich bekomme zuerst Probleme. Die Hitze macht mir gar nicht so viel aus, aber meine Energiereserven sind ziemlich am Ende. Vor allem die Waden und Fussheber verkrampfen dauernd. Ich sollte essen, verspüre aber keinen Hunger. In der Nacht erholen wir uns nur wenig, da wir früh wieder los wollen, um der Mittagshitze zu entgehen. Wir versuchen darauf zu achten, genug zu trinken aber nach einigen Stunden kann Lea nicht mehr weiter gehen. Sie friert in der prallen Sonne und spürt den Boden nicht mehr unter den Füssen. Wie meistens sagt sie etwas spät, wie es ihr geht und ich bin zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um ihren Zustand zu bemerken, so dass sie nah an einem Sonnenstich ist, als wir uns in den Schatten einiger Bäume retten. Allerdings müssen wir heute noch zwanzig Kilometer zurücklegen, da wir zwar noch genug Essen für einen Tag haben, aber nicht für zwei und morgen ist Sonntag. Zudem haben wir uns in unserem eingeschränkten Denken darauf versteift, dass wir unbedingt einen Ruhetag in einer Unterkunft einlegen müssen. Obwohl wir gar nicht wissen, ob es in Virtasalmi überhaupt so etwas gibt. Also machen wir uns auf den längsten Abschnitt des ganzen bisherigen Projekts. Und damit wären wir wieder am Anfang. Lea und ich sitzen völlig kraftlos vor dem Sale in Virtasalmi und wünschen uns an einen anderen Ort. Bis Kuopio sind es zwischen fünf und sechs Tagesetappen.
Nach einer Ewigkeit entscheiden wir uns dafür, unsere Zelte mehr oder weniger direkt hinter dem Geschäft aufzuschlagen und am nächsten Tag zu versuchen, uns per Autostopp aus unserer Situation zu befreien. Damit brechen wir zwar die Regeln, die sich Lea für ihr Projekt gegeben hat, aber wir finden, dass es ein Herzensprojekt bleiben und nicht zu einer Expedition à la Scott werden soll. Wir müssen niemandem etwas beweisen, aber wo Fehler gemacht werden, da müssen die Konsequenzen getragen werden. Und diese nehmen wir lieber auf uns, wenn wir dafür in ein fremdes Auto steigen müssen, als in einen Helikopter des finnischen Rettungsdienstes.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell man per Anhalter vorwärtskommt. Das erste Auto nimmt uns zwar nur wenige Kilometer mit, aber bereits das dritte, das uns kreuzt, fährt bis Varkaus, einer im 19. Jahrhundert in den finnischen Urwald gestellten Industriesiedlung. Dort finden wir zwar keine Unterkunft, aber nur wenige Minuten nachdem wir uns wieder an den Strassenrand gestellt haben, sitzen wir neben einem freundlichen Finnen, der ungefähr so viel Englisch kann, wie wir Finnisch, uns aber bis Leppävirta mitnimmt. So legen wir gut 75 Kilometer in einem unerlaubten Verkehrsmittel zurück, was ein hässliches Loch in unsere Route reisst und uns später bestimmt ärgern wird, aber in dem Moment ist es aus unserer Sicht das einige richtige.
In Leppävirta gibt es gleich neben der Autobahnausfahrt einen Camping, wo wir uns in einem Häuschen einquartieren und drei Tage mehr oder weniger mit Schlafen und Essen verbringen. Danach geht es nochmals zwei kürzere Tagesetappen bis Kuopio. Auf dem Weg dorthin treffen wir auf einen zugewachsenen See, einen Vollernter der im Zwei-Minutentakt Bäume zu Boden krachen lässt und überqueren das Kallavesi auf einer kleinen Fähre, die als Brückenersatz dient. Der Himmel ist unterdessen weitgehend bewölkt und die Temperaturen auf 15°C gesunken, was das Laufen wieder zu einer Freude macht. In Kuopio verbringen wir nochmals einige Tage auf dem Camping, bis ich von Timo abgelöst werde und zurück nach Schweden reise.
Lea zieht es weiter in den Norden. Nach zwei Wochen hat das Abenteuer jetzt so richtig angefangen.

Very slowly, inch by inch, we approach the red cross on the map marked "Sale Virtasalmi, 9-20", which promises treasures of unbelievable value. Sweets and pastries pile up next to all kinds of fruits and vegetables, bread, cheese, chips, as much as you can eat and more. But above all, and most importantly, there is a whole fridge full of chilled blueberry juice. The one thing that made us put one foot in front of the other during the last fifteen kilometres. We feel somewhat like pirates, cloths tied around our heads to protect us from the heat, looking for a treasure of blue gold. Abad feeling makes us suspect however that the time on the map is not correct, after all it is Saturday and on Saturday the shops usually close a little earlier. So we hurry along the road at a goose pace and get so much into energy debt that I can't even think about what will happen if the store closes before we get there. We haven't thought about running for a long time, the last hour we haven't exchanged a word.
Finally, the first houses of the village Virtasalmi appear and there is also the grocery store. At 17:59 we stagger onto the parking lot in front of the shop, at 18:00 its doors close. But the saleswoman has mercy and we are allowed to walk through the shelves and pick up the most important things. After countless purchases this happens as if automated, we know exactly what we need for the next three days and have bought everything within a few minutes. After that we sink onto a bench before the shop and need surely one hour until we have enough strength to organize our racing thoughts. We have to decide what to do next, where to sleep and what the next days will look like. We are both completely exhausted, can hardly think straight, let alone make decisions. Eventually we would want to have a rest day in an accommodation since quite some time, but in Virtasalmi there is not much except the grocery store, a local museum and some houses. So on to the next village, hoping that we will find something there. However, two to three days of running separate us from Leppävirta, a good 75 kilometres further north-east. And we will never get that far in our physical and especially not in our mental condition. The project is questioned for the first time (quite violently). We have manoeuvred ourselves into a dead end. How did we get into it? Well let’s see from the beginning.
After a rest day in Huruksela at Leas grandparents we set off on the 21.7. towards the north. The weather is wonderful, our legs rested. In Myllikoski we buy provisions for two days, the next shop we will reach a little north of Kouvola. Despite the good conditions we march a large part of the way, we want to take it easy. The day gets a bit longer, but with a pan of rice in our stomach we fall asleep quite early in a lavu near Valkeala.
Most of the time we don't spend running, eating or sleeping is spent planning. In the preparation of the project, Lea only decided which map sections we would need, as well as the locations of the shelters and grocery stores, and we have to determine the exact route before each stage. This way we can decide from day to day how we are doing, how far we want to go and also react to closed roads or similar. We also have something to do while we walk along the dusty country roads.
Actually, we are always on the lookout for the fine paths, which are interspersed with roots and stones and always follow the terrain and on which the kilometres fly by, even though you don’t actually get ahead too fast. During the first weeks of the project, however, we have to realize that such hiking trails are quite a rarity. Finland is known for its wide forests and lakes. At least in the south-east however, this beauty is not very well subdued. Around the bigger cities there are often some hiking trails to be found, but they are limited to the area of a small protected area or national park starting from a big parking lot and do not represent a connection to the next city. As soon as one leaves the urban areas, forest roads and narrow, dead straight country roads are often the only way to get ahead. After a few hours of walking, this can be quite tiring, even though you are walking through beautiful landscapes all the time.For us Central Europeans, this waste of potential and space is not entirely comprehensible, especially when we look at the economic situation in south-eastern Finland and see that in other regions of Finland, being outdoors is one of the most important economic factors.
The next morning we set off early and in the best conditions. Our destination is the Repovesi National Park, two days away, where we finally hope to find the beautiful root paths. But a first decision has to be made in advance. Rumours have it that the suspension bridge leading into the area is damaged and not accessible at the moment. So we can take a detour or try our luck. However, if we are unlucky and the bridge is no longer standing, we either have to swim or run back a good contingent of days, which will probably make our food scarce for the first time. We decide for the originally planned variant. Like the day before we are longer on the road than planned, as we first need a while to cross a swamp and then find no suitable place to sleep. Maybe the scale of our map is a bit small. Eventually, we are saved from taking a dead end by a Finn who comes running out of his summer house. This acquaintance is, beside the Coke, which we buy on the way in a small village shop and our sleeping place the highlight of the day. After ten hours on our feet, we find a beautiful spot just before the gates of the national park, where we pitch our tents. This night we will see if they are up to the onslaught of mosquitoes.
They are not. In any case, my tarp construction is not. Lea's tent seems to be working perfectly. With little sleep and quite badly stung or well recovered and completely unhurt we start the next stage through the Repovesi National Park, which has some surprises in store for us. The first one isn't such a big one; the suspension bridge doesn't exist anymore. But we are separated by less than fifty meters from the other side and the shore at the bottom of the small gorge is easily accessible, so we decide to swim. Since only my backpack is really waterproof, Lea crosses the water several times, but after three backpack loads we have all material dry on the other side. There a wooden board announces that some minutes later the bridge replacement boat would start its operation, but from another place at the lake. It seems like we still have the island labyrinth for a moment to ourselves.
A few kilometres further on, where the path leads directly along the water, we come across the next surprise. Meanwhile there are more people, most of them with light luggage on a day trip to a bathing place with a fire. Some also have a bigger backpack with them and it would be exciting to find out where they are going, but there is no real conversation with anyone. But eventually we are warned by a heavily loaded Finn, further ahead the path has slipped into the lake, we have to bypass the place above. "I barely survived," he adds emphatically. We explain to him that we want to have a look at the situation. In fact, the passage can't necessarily be called a path anymore, as you have to climb a few meters, but the Finnish drama makes us smile a bit. The beautiful but easy climbing spot would probably not even reach the lowest level of difficulty on the bouldering scale.
The third surprise is also the most beautiful one. At the border of the national park we don't have to go back to the road, as we feared, but can follow a hiking trail, which should stay with us until we reach our next destination: "Mäntyharju, 45km". Since we want to do a shorter stage today, we are about one more hour on the way, until we settle down between two small lakes for the night, cook soppa from fresh blueberries and improve my tarp. I very much hope that I can get some more sleep this night.
Unfortunately not. The mosquito net does hold better now, but as it doesn't get much cooler at night and I have to stay in my sleeping bag to be really protected from the mosquitoes, I am much too warm and fall asleep late and completely sweaty. After all, I don't get too many bites, even though the many-voiced humming in the evening doesn't exactly provide the basis for a particularly beautiful lullaby. Against the bad night the following stage compensates. As promised, the way goes all the way to Mäntyharju and also leads some kilometres over wooden planks through swamp and blueberry bushes.
In between we meet a Russian couple who are on their way by MTB and supply us with gooseberries from their garden. They are a little surprised at the idea of crossing Finland from south to north, but think: "It's possible. It needs time but you can do it. Don't forget to rest." Wise words, as we will see later on.
In Mäntyharju we go shopping again, load the camera and make ourselves comfortable at a lake a few kilometres further northeast. Surprisingly there are almost no mosquitoes, which makes it the first restful night under the tarp for me, but hundreds of forest ants, who show great interest in our equipment and crawl into everything that is not airtight. We declare this to be a good sign and the ants to be our friends - in contrast to the mosquitoes, which we always encounter with a certain lust for murder.
The next day we continue in the direction of Mikkeli, the first bigger city on our way. Meanwhile the temperatures have risen considerably again and we notice that we now consume much more liquid. Together we have a filling capacity of 3.5 l, which we rarely use because of the weight. We take the water from the lakes or creeks along the way and make them drinkable with sterilization tablets. Today's stage leads mostly off the country road along forest tracks and also crosses open terrain several times. These sections still cost us much more time than we thought, as we never actually land where we want to. Here in the south relocating is not too difficult, but we ask ourselves how it looks like in Lapland, where sometimes whole stages will be pathless. At least Lea will have better maps there.
The conversation wanders in view of the dilapidated houses we pass from the present into the past, via literature and politics into the future and back again. As usual, we agree on many things and stay a little longer where interesting discussions develop through opposing opinions. Then the philosophizing is interrupted by a wild raspberry field or wild strawberries along the way and then we continue in silence. Silent and entertaining sections alternate until we reach the expressway a few kilometres before Mikkeli. Although we have set our route so that we can pass enough lakes to replenish our water supply, we have drunk too little and it takes quite some time to the city centre. On the way we buy a blueberry juice and call the camping to find out if there is still room in one of the cottages. We want to take a next rest day and since we get a positive answer, we set off for Visulahti. The camping site, a huge complex with its own amusement park, is located about ten kilometres further on the other side of the city, but with the view of a shower, a real bed and a washing machine, the distance does not seem too far to us.
Two hours later, however, the disillusionment: all beds are fully booked. We point out to the young man at the reception that he or one of his employees had promised us the opposite not long ago, but he just shrugs his shoulders and says he can't do anything about it. All he could offer us was a cottage for four people, but only for one night. So no rest day after all. Quite finished we sit down on a bench in front of the reception. After some phoning around and the unsuccessful search for a good alternative, we decide for the little house on the camping site. 140 Euro the night.
In retrospect, this is probably the turn-off to the dead end from further up. Although the shower and the soft bed are wonderful, it would be more important to have a whole day break. From now on we are on the road with a mortgage that clouds our vision and lets us make hasty decisions. The next day we waste energy with a detour back to the city centre, hoping to find out at the tourist information whether there is a hiking trail between Mikkeli and Kuopio, although our map does not suggest anything in this direction. Then we plan for our condition also much too long daily stages to get as fast as possible to the next place where it could have a camping, although it is certainly 35° C warm. It would be more indulgent to spend another night in a hotel, but we have the feeling that we have already spent too much money on accommodation. And finally, we don't want to take any detours anymore to walk at least a few kilometres on root paths or forest roads, but instead lay our route along a country road that leads through the middle of a huge peat pit, where the sun burns down on us for hours.
I get in trouble first. The heat doesn't bother me too much, but my energy reserves are pretty low. Especially the calves and foot lifts are cramping all the time. I should eat, but I don't feel hungry. In the night we only recover a little because we want to leave early to escape the midday heat. We try to make sure we drink enough, but after a few hours Lea can't go any further. She freezes in the blazing sun and no longer feels the ground under her feet. As usual she says a little late how she's doing and I'm too busy with myself to notice her condition, so she's close to a sunstroke when we rescue ourselves in the shade of some trees. But eventually we still have to cover twenty kilometres this day, because we have enough food for one day, but not for two and tomorrow is Sunday. Moreover, in our limited thinking, we have stiffened ourselves to the fact that we absolutely have to have a rest day in an accommodation. Although we don't even know if there is such a thing in Virtasalmi. So we start on the longest part of the whole project so far. And that would bring us back to the beginning. Lea and I sit completely powerless in front of the sale in Virtasalmi and wish to be in another place. Until Kuopio there are between five and six daily stages.
After an eternity we decide to pitch our tents more or less directly behind the shop and try to get out of our situation the next day by hitchhiking. This way ew are breaking the rules that Lea gave herself for her project, but we think that it should remain a project of the heart and not become an expedition like the one of Scott in the Antarctic. We don't have to prove anything to anyone, but where mistakes are made, the consequences have to be borne. And we prefer to take these on ourselves if we have to get into a foreign car than into a helicopter of the Finnish rescue service.
It is always amazing how fast you can hitch a ride. The first car only takes us a few kilometres, but the third one that crosses us goes to Varkaus, an industrial settlement built in the 19th century in the Finnish jungle. There we don't find any accommodation, but only a few minutes after we have stood at the roadside again, we sit next to a friendly Finn, who speaks about as much English as we do Finnish, but takes us to Leppävirta. So we cover a good 75 kilometres in an illegal means of transport, which tears an ugly hole into our route and will certainly annoy us later, but at that moment it is from our point of view the right thing to do.
In Leppävirta there is a camping site right next to the motorway exit, where we stay in a cottage and spend three days more or less with sleeping and eating. Afterwards, we will take another two shorter days to Kuopio. On the way find a dried up lake, meet a timber harvester that cuts trees down as if it was cutting grass and take a ferry across Kallavesi which is the replacement of another bridge. Meanwhile the sky is mostly cloudy and the temperatures have dropped to 15°C, which makes running a pleasure again. In Kuopio we spend another few days on the camping site until I am replaced by Timo and travel back to Sweden.
Lea moves on to the north. After two weeks the adventure has really started.