Runon ja rajaton: Päivä 23 - 49
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Lea schickt mir immer mal wieder einen Brief, in dem sie berichtet, wo sie ist, wie es ihr geht und was sie den ganzen Tag lang so macht. Ich habe den Auftrag erhalten, hier einige Zeilen dazu zu schreiben.
Nach 22 Tagen und nicht ganz 500 zurückgelegten Kilometern ist Lea ab Vuokatti das erste Mal allein unterwegs. Fürs erste freut sie sich sehr darauf. Allein durch die finnische Unendlichkeit zu streifen, allein Entscheidungen zu treffen, das Gelingen des Projekts vollständig in den eigenen Händen zu haben. Es sozusagen in seiner Reinform zu erleben. Es geht von Vuokatti nordwärts über Puolanka, Puhos und Posio hinein nach Lappland, bevor der Weg nach Osten abdreht, nochmals kurz in die Landschaft Nordösterbotten (ein Relikt des schwedischen Herrschaft in Finnland) zurückkehrt und dann der finnischen Ostgrenze nach weiter durch die grossen Nationalparks in Richtung Salla, Saariselkä und Inari geht. Die erste Woche ist ein dauerndes Auf und Ab. Mal ist das Wetter gut, mal scheusslich. Mal ist der Weg gut ausgebaut und markiert, mal verliert er sich irgendwo zwischen den Schneisen eines Holzschlags. Mal findet sich eine Hütte als Übernachtungsmöglichkeit, mal muss ein Fleck Gras neben einem Sumpf als Schlafplatz herhalten. Hier zeigen sich die Unterschiede zu bisher, als Lea noch Begleitung hatte. Es dauert länger, bis Fehler bemerkt werden, bis der Weg wiedergefunden ist. Und die Tiefpunkte, die sie während dem Tag erlebt, erscheinen tiefer, während die Höhepunkte weniger wertvoll sind, weil sie sie mit niemandem teilen kann. Dazu kommt die Langeweile. Lea hat am Abend zwar einiges zu tun mit Feuer machen, Kochen, Waschen, die nächsten Tage planen und Tagebuch schreiben. Aber bald gehört das alles zur Routine, so dass es so gut wie keine Überraschungen mehr gibt. Trotzdem überwiegen die schönen Momente und es geht weiter nordwärts.
Die erste Ankündigung Lapplands ist der Iso-Syöte, ein gerade einmal 400m hoher Hügel der aber einen weiten Blick über die Wälder rundherum erlaubt und der südlichste der Tunturit ist, den baumlosen Höhen finnisch Lapplands. Iso-Syöte befindet sich zwar noch in Mittelfinnland und ist wie alles hier über und über mit Föhren bedeckt, aber es riecht doch schon schwach nach Norden.
Nach einem, wie sich später herausstellt, unnötigen Abstecher nach Ruka überquert Lea schlussendlich eine Woche später die Grenze zu Lappland. An der Landschaft erkennt man natürlich keinen Unterschied, aber eine grosse Tafel bei der Brücke über den Oulankajoki informiert die Wanderer, dass sie nun den echten Norden betreten. Hier weichen die Staubpisten des Südens den Fernwanderwegen des Nordens, die grünen Birkenwälder des Sommers den gelb-roten Tunturit des Herbsts und die etwas aufgesetzt wirkende Betriebsamkeit der letzten Zivilisationsflecken der unerschütterlichen Ruhe der rauen Natur. Was bleibt sind die Mücken, aber schon bald sind die ersten Nächte unter Null zu erwarten und dann geht es dem nervenaufreibenden Summen an den Kragen. Die Kälte ist insofern kein grosses Problem, als dass hinter so gut wie jeder Wegbiegung eine Schutzhütte (Kota, Möki) zu finden ist und es über den Tag nach wie vor angenehm warm isch. Wenn es nicht regnet. Das Wetter ist trotz der einsetzenden Ruska (der Zeit im Jahr, in der Lappland nochmals golden aufleuchtet, bevor der Schnee kommt) eine der grossen Herausforderungen. Es kann die Erschöpfung um ein Vielfaches multiplizieren, den Weg im Nieselregen verschwinden lassen und die Verzweiflung gefährlich nahe an einem herankommen lassen. Die andere grosse Herausforderung ist die Einsamkeit. Unterdessen sind zwar mehr Leute auf den Wanderwegen unterwegs, aber Gespräche ergeben sich nicht so häufig und wenn, dann erhält Lea meist nur einen besorgten Blick, wenn sie von ihrem Projekt erzählt, womit sich der Rest des Gesprächs eigentlich erübrigt. Die mächtigen Tunturit, die Lea nun durchquert und die Tiere, die sie trifft, schaffen ein wenig Abhilfe, aber sie freut sich schon sehr, dass sie bald Tullpio erreicht, wo Lars auf sie wartet, um sie einige Tage lang zu begleiten. Und hoffentlich etwas zu reden.
Lea sends me a letter from time to time in which she tells me where she is, how she is and what she is doing all day long. I received the order to write some lines about it here.
After 22 days and almost 500 kilometres Lea is on her own for the first time. For now, she is very much looking forward to it. To wander alone through Finnish infinity, to make decisions alone, to have the success of the project completely in her own hands. To experience it in its pure form, so to speak. The way leads from Vuokatti northwards via Puolanka, Puhos and Posio into Lapland, before it turns east, returns again briefly into the landscape of Nordösterbotten (a relict of Swedish rule in Finland) and then continues along the Finnish eastern border through the large national parks in the direction of Salla, Saariselkä and Inari. The first week is a continuous up and down. Sometimes the weather is good, sometimes terrible. Sometimes the path is well developed and marked, sometimes it gets lost somewhere between the aisles of a woodcut. Sometimes there is a hut for overnight accommodation, sometimes a spot of grass next to a swamp has to serve as a place to sleep. Here you can see the differences to before, when Lea still had company. It takes longer, until mistakes are noticed, until the way is found again. And the low points she experiences during the day appear lower, while the high points are less valuable because she can't share them with anyone. Then there is boredom. In the evening Lea has a lot to do with making fire, cooking, washing, planning the next days and writing diaries. But soon everything becomes routine, so there are hardly any surprises left. Nevertheless, the beautiful moments predominate and the journey continues northwards.
The first announcement of Lapland is the Iso-Syöte, a hill only 400m high which allows a wide view over the forests around and which is the southernmost of the Tunturit, the treeless heights of Finnish Lapland. Iso-Syöte is still in central Finland and like everything here is covered with pine trees, but it smells faintly like north. After what turns out to be an unnecessary detour to Ruka, Lea finally crosses the border to Lapland one week later. Of course you can't tell the difference by the landscape, but a big sign at the bridge over the Oulankajoki river informs the hikers that they are now entering the real north. Here, the dust tracks of the south give way to the long-distance hiking trails of the north, the green birch forests of the summer to the yellow-red tunturit of autumn and the somewhat artificial feeling activity of the last civilization spots to the unshakeable tranquillity of the rough nature. What remains are the mosquitoes, but soon the first nights below zero are to be expected and this will put the nerve-wracking buzz to an end. The cold is not a big problem as there is a shelter (Kota, Möki) behind almost every bend in the road and it is still pleasantly warm throughout the day. As long as it is not raining. Despite the onset of Ruska (the time of the year when Lapland shines golden again before the snow comes) the weather is one of the big challenges. It can multiply the exhaustion many times over, make the way disappear in the drizzle and bring the despair dangerously close to you. The other big challenge is loneliness. Meanwhile there are more people on the trails, but conversations don't happen that often and when they do, Lea usually only gets a worried look when she talks about her project, which makes the rest of the conversation sort of unnecessary. The mighty Tunturit that Lea now crosses and the animals she meets provide some relief, but she is very happy that she soon reaches Tullpio, where Lars is waiting for her to accompany her for a few days. And hopefully to talk a little.